Ayurveda-Adventure in Kerala (Part 2)

Durch die Unruhe der letzten Tage (siehe letzter Blog-Beitrag: https://lealemang.de/gastfreundschaft-oder-kidnapping/) waren meine Beschwerden definitiv so groß wie schon lange nicht mehr und ich konnte die Behandlungen und die Ruhe im Ayurveda-Krankenhaus gar nicht mehr abwarten.

Dort angekommen fühlte ich mich direkt wohl. Aus den Behandlungsräumen strömte ein vertrauter Duft, von den Mengen an ayurvedischem Öl, die dort verwendet werden. In der kurzen Eingangsuntersuchung durch den Senior Doc schilderte ich kurz meine Symptome: Migräne, Schmerzen in der Schulter, blockierter Nerv am Oberschenkel. Er schaute mir intensiv ins Gesicht, checkte meine Wirbelsäule, bat mich ein paar Mal die Arme zu heben und zu senken – und das war`s. Danach wurde viel auf Malayalam gesprochen und er empfahl mir einen 7-tägigen Aufenthalt im Ayurveda-Krankenhaus, den ich einen Tag darauf antrat.

Foto: Tania Mouraud

Yes, he knows – Changethu Aurveda Hospital

Der Pariserin Tania, von der ich schon im vorherigen Beitrag berichtet habe, erzählte ich von meinem Eindruck, dass der Inhalt meiner Antworten auf seine Fragen gar keine Rolle spiele. Vielmehr scheint es ihm darum zu gehen, mich während der Antworten zu beobachten. Sie bestätigte dieses Gefühl mit den Worten „Yes, he knows.“

Sie und ihre Familie haben, genau wie ich, schon sehr gute Erfahrungen in diesem Krankenhaus (http://changethuayurveda.com/) gemacht. Sie berichtete mir auch, dass der Arzt sich für bedürftige Menschen einsetzt, indem er mittags kostenlos Essen anbietet und teilweise die Behandlungen und Medikamente nicht berechnet. Außerdem lässt er die ayurvedische Medizin selbst in bester Qualität und nach eigenen Rezepturen herstellen. Dieser kleine, weise Mann scheint tatsächlich über sehr viele Kenntnisse und Erfahrung zu verfügen, die sich von dem medizinischen Verständnis im Westen stark unterscheiden.

Der Aufenthalt dort hat nichts mit dem zu tun, was ich über Ayurveda-Kuren oder -retreats gehört oder gelesen habe. Es wird keine Pulsdiagnose gemacht und Dir wird keine Konstitution (Pitta, Kapha, Vata) mitgeteilt. Menschen kommen hierher mit verschiedenen Symptomen und Krankheiten und bekommen daraufhin individuell angepasste Therapien. Als ich eine junge Ärztin fragte, ob das Krankenhaus eigentlich sehr bekannt in Indien sei, hat sie mich angeguckt, als ob jemand in Deutschland fragen würde, ob Angela Merkel eigentlich berühmt sei.

Foto: Tania Mouraud

Remeber me? – meine Tage im Krankenhaus

Meine Tage in dem Krankenhaus sahen so aus, dass ich überwiegend in meinem Zimmer war und immer wieder Menschen vorbei kamen. Mir wurde Medizin gebracht, warmes Wasser in großen Thermoskannen, Essen, Chai, Ärzte kamen zur Kontrolle oder der Senior Doc für die sogenannten Corrections. Da ich von meinem letzten Aufenthalt wusste, wie diese Korrekturen ablaufen, empfand ich es diesmal als nicht ganz so abenteuerlich.

Einmal am Tag wurde ich zur Massage abgeholt. Die beiden Frauen, die mich behandelten, waren doch tatsächlich die gleichen wie beim letzten Mal und erinnerten sich auch noch an mich. Während der Massagen wurde ich mit Unmengen an warmem Öl übergossen und anschließend mit Kräuterstempeln bearbeitet. Dem Öl war jeden Tag andere Massagemedizin zugesetzt. An den ersten drei Tagen ging es nach der Behandlung noch in den sogenannten Steamer für ein Dampfbad. Ab Tag 5 gab es außerdem Stirngüsse und eine Behandlung mit dickflüssiger Milch.

Nach den Behandlungen war ich voll mit Öl und klebriger Milchmasse – eine einzige Rutschpartie. Schon auf der hölzernen Massageliege muss man sich sehr vorsichtig bewegen, um nicht wegzurutschen. Auf dem Weg ins Bad wird man von den Therapeutinnen festgehalten und begleitet, bis man sicher auf einem Schemel Platz genommen hat. Dann geht’s ans gewaschen werden. Eine kleine, dralle Frau schrubte mich täglich von Kopf bis Fuß und übergoss mich mit viel warmem Wasser. Es war zunächst etwas befremdlich, gewaschen zu werden, aber irgendwie war es auch herrlich. Ich kam mir ein bisschen vor wie ein kleines Kind, das fürsorglich bemuttert wird. Am ersten Tag wunderte ich mich, warum die Dame so lange mit Seife an meinem Oberarm rieb. Dann stellte ich fest, dass ich dort blaue Flecke vom Crow Pose üben hatte, die sie offenbar für Dreck hielt.

Foto: Tania Mouraud

Ayurvedische Medizin – Praktikabilität versus Achtsamkeit

An meinem ersten Tag im Krankenhaus wurden mir 6 Flaschen mit flüssiger Medizin und 4 Dosen mit Tabletten gebracht. Dazu gab es eine genaue Anweisung, wann und wie diese einzunehmen war. Jetzt verstand ich auch, warum ein Mörser in meinem Zimmer stand, da die Tabletten kleingemörsert werden mussten.

Die Zubereitung der 11Uhr-Medizin war besonders anspruchsvoll – 3 Tabletten Mörsern und 4 Flüssigkeiten abmessen und alles zusammenmischen. Manchmal hat mir das Spaß gemacht und es kam mir vor wie eine kleine Zeremonie, manchmal war ich aber auch genervt. Von unserer herkömmlichen Medizin bin ich eine einfachere Anwendung gewohnt. Mir ist dabei einmal mehr bewusst geworden, wie sehr sich im Westen alles darum dreht, jede Tätigkeit bequemer und schneller zu machen. Unmengen an Geld werden verdient und ausgegeben, weil wir Geräte und Produkte kaufen, die uns das Leben vereinfachen sollen. Wäre es nicht viel einfacher, weniger Dinge zu kaufen, dadurch weniger Geld zu benötigen, weniger arbeiten zu müssen und mehr Zeit zu haben? Dann würde es uns auch leichter fallen, Achtsamkeit zu üben und unsere vielen stressbedingten  Krankheiten und Sorgen wären vermutlich auch passé. Wie Ihr seht – ich löse hier nebenher die Probleme unserer Gesellschaft 😉

Von lieben und nervigen Nachbarn

Letztes Mal war ich in der Villa untergekommen, einem kleinen Haus mit 3 Gästezimmern und zwei Behandlungsräumen. Dieses Mal habe ich mich für das günstigere Zimmer im Haupthaus entschieden. Der Standard ist einfacher, aber völlig ausreichend und ich bin ein bisschen mehr im Geschehen und habe Nachbarn, mit denen ich auch mal plaudern kann.

Da war zum Beispiel Nisha, eine schöne Inderin, die mit ihren beiden Kindern im Nebenzimmer wohnte. Sie sprach gut englisch und es stellte sich heraus, dass sie in Dubai arbeitet. Sie schien ein recht modernes Leben zu führen und half mir mit kleinen Erledigungen, da es keine Geschäfte in unmittelbarer Nähe gab und ihre Familie sie täglich besuchen kam. Eine große Überraschung war für mich Rama, ein älterer Herr, der früher regelmäßig beruflich in der Schweiz war und ein paar Sätze Schweizerdeutsch konnte. Wer hätte gedacht, dass mich an diesem Ort jemand mit „Uf Wiederluege“ verabschieden würde! Als Nisha auszog, zog ein Mann neben mir ein, den ich eines Abends um Hilfe bitten musste, weil ich die Dose, in der mein Essen gebracht wurde, nicht öffnen konnte. Er stellte sich als freundlicher, aber auch sehr neugieriger Zeitgenosse heraus. Er schmulte immer wieder durch mein Fenster zu mir rein und begrüßte mich auch mal mit den Worten „Good morning, are you married?“

Übellaunigkeit an Tag 5 – Feel the feeling, but don`t become the emotion

Diese Frage nervte mich total – vor allem, weil ich sie ihm schon zuvor beantwortet hatte. Ich zog ab da meine Vorhänge zu und war irgendwie in schmolliger Stimmung. Trotz der kurzen Gespräche mit Nachbarn fühlte ich mich langsam etwas einsam dort. Ich hätte mich gerne mehr mit dem Personal unterhalten, konnte mich mit dem Großteil aber gar nicht verständigen. Es herrschte so nette Stimmung, um mich herum wurde viel geredet und gelacht und ich hätte gerne mal wieder mit gelacht. Plötzlich konnte ich auch die Behandlungen nicht mehr richtig genießen, fand das Öl zu warm, das Rubbeln zu doll, die Massage zu lang, die Wäscherin zu grob, die Liege zu hart, das Essen zu indisch.

Es gab auch so viel, was ich nicht verstanden habe und gerne gewusst hätte. Zum Beispiel, ob die verschiedenen Uhrzeiten meiner Behandlung System hatten, ob die Unterschiede in der Größe der Essensportionen beabsichtigt waren, was es mit dem Pulver auf sich hat, das mir nach der Haarwäsche auf den Scheitel gerieben wird, von den Inhaltsstoffen und Wirkweisen der Medizin mal ganz zu schweigen.

Doch ich beschloss, mal wieder Yoga im Alltag anzuwenden und nahm meine Übellaunigkeit zum Anlass, meine eigenen Gefühle und Gedanken bewusst zu beobachten, ohne mich zu sehr damit zu identifizieren. Es war ja offensichtlich, dass das Problem nicht an den Behandlungen lag, sondern nur in mir selbst stattfand. Die Sätze „The problem is not the problem – your reaction is the problem” und “Feel the feeling, but don`t become the emotion” begleiten mich wie Mantren und helfen mir gelassen zu bleiben, statt mich von den negativen Gedanken einnehmen zu lassen.

Trotzdem freute ich mich sehr darauf, dass ich von dort in einen touristischen Ort – nach Varkala – fahren würde. Während ich bei meinem Aufenthalt vor 3,5 Jahren noch Zigaretten vermisst habe, vermisste ich nun frisches Obst und schon wieder… Pizza!

Erfolg der Behandlung

Während ich den Erfolg meines ersten Aufenthaltes in dem Ayurveda-Krankenhaus ausschließlich der Behandlung durch den Senior Doc zugeschrieben hatte, bin ich jetzt der Meinung, dass die Medizin und Massagen unabdingbar dazugehören. In Gesprächen mit anderen Patienten habe ich festgestellt, wie sehr sich die Behandlungen voneinander unterscheiden. Es scheint sich um ein sehr komplexes individuell auf den Patienten abgestimmtes Therapiekonzept zu handeln.

Ich fühle nach dem Krankenhausaufenthalt definitiv große Unterschiede in meinem oberen Rücken und die Beschwerden in meinem Oberschenkel sind sehr viel geringer. Bisher hatte ich einmal einen Anflug von Kopfschmerzen, die sind aber nach Einnahme der 11Uhr-Medizin verschwunden. Komplett weg sind meine Beschwerden noch nicht, ich habe aber auch noch Medikamente für die nächsten 2 Wochen bekommen und werde dann nochmal zur Nachuntersuchung gehen. Als schöner Nebeneffekt ist meine Haut der Hammer – sogar an den Ellenbogen bin ich nun zart wie ein Babypopo. Alles Weitere wird sich mit der Zeit zeigen.

Merry Christmas and a Happy New Year

Inzwischen bin ich in Varkala und zum Glück von netten Menschen umgeben, die mit mir Weihnachten feiern, so dass das befürchtete Feiertags-Heimweh auszuhalten ist. Ich widme mich nach einer vom Doc verordneten Pause jetzt wider meiner Yogapraxis und studiere die Literatur aus meiner Ausbildung. Über Silvester werde ich voraussichtlich in das Sivananda oder Amma Ashram gehen und dann… TROMMELWIRBEL… gehe ich an eine Ayurveda-Schule und besuche dort einen zweiwöchigen Kurs, in dem die Grundprinzipien des Ayurveda  und einige ayurvedische Massagen vermittelt werden. Da es so viele Überschneidungen in der yogischen und ayurvedischen Lebensweise gibt, wird das sicherlich eine tolle Ergänzung sein. Das Ayurveda- Adventure in Kerala ist also noch nicht vorbei!

Ich schicke sonnige Grüße in die Heimat und hoffe ihr verbringt schöne und entspannte Feiertage,

Eure Lea

2 Kommentare
    • Lea2018
      Lea2018 sagte:

      Danke Dir! Ich hoffe Du bist gut ins neue Jahr gekommen und wünsche Dir alles Liebe für alle Veränderungen in 2019! Bis bald 🙂

      Antworten

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