You get what you deserve – Rückblick auf meine Ausbildung zur Yogalehrerin
Vor einer Woche habe ich meine Ausbildung zur Yogalehrerin erfolgreich beendet. Langsam sacken die vielen Eindrücke und ich fange an zu merken, in wie fern sich die letzten Wochen auf mich auswirken. Sowohl für meinen Körper als auch für meinen Geist war die Zeit herausfordernd und gewinnbringend.
Change your definition of enjoyment
Mein Körper fühlt sich nach der intensiven Asana-Praxis sehr verändert an. Ich habe das Gefühl, dass meine Tiefenmuskulatur gestärkt ist und sich dadurch sowohl Haltung als auch Körperspannung verbessert haben. Ein paar Kilos sind auch direkt in den ersten zwei Wochen weg geschmolzen. Verglichen mit der yogischen und geregelten Ernährung hier, ist mir aufgefallen, wie oft ich zuhause zwischendrin einfach nur aus Genuss esse. Mit drei geregelten Mahlzeiten am Tag und viel Bewegung ist mein Körpergefühl um das Vielfache besser.
Von unserem Lehrer Krishna wurden wir regelmäßig aufgefordert, die Dehnungen und Anstrengungen zu genießen und wenn wir sie nicht genießen, sollten wir unsere Definition von Genuss verändern. In der vierten Woche habe ich festgestellt, dass ich das manchmal etwas zu ernst genommen habe. Mein gesamter Körper hat weh getan und gebrannt – es war ein Gefühl von Muskelkater gepaart mit Gliederschmerzen, das ich so noch nie erlebt habe. Das war für mich der Wink, etwas kürzer zu treten. Manchmal sind wir faul und geben nicht alles und manchmal überfordern wir uns selbst – im Yoga geht es um Balance. Wenn wir diese auf der Matte finden, kann sich das leichter auf unser Leben übertragen.
Relax your tongue – das Leben in einer Gruppe
Neben der körperlichen Herausforderung wurde ich auch mental gefordert und an meine Themen geführt. Ich habe mich teilweise selbst unter Druck gesetzt und es hat mich angestrengt so viel Zeit in einer Gruppe zu verbringen. Meine Mutter sagt, dass ich schon als Kleinkind, wenn ich aus dem Kindergarten kam, erst mal in mein Zimmer gegangen bin und meine Ruhe haben wollte. Dieses Ruhebedürfnis habe ich heute immer noch.
Ich war sehr verwundert wie groß das Mitteilungsbedürfnis anderer Studenten war und teilweise genervt von dem Geräuschpegel und den oberflächlichen Konversationen. Während des Essens war reden eigentlich untersagt, es wurde sich jedoch nicht immer daran gehalten. Von anderen Studenten habe ich erfahren, dass es ihnen sehr schwer fällt, still zu sein. Mir dagegen viel es viel schwerer, so viel zu kommunizieren. Da kamen mir Krishna`s Worte „Relax your tounge“ (=entspanne deine Zunge) immer sehr gelegen. Auf diese charmante Weise hat er bei uns für Ruhe gesorgt.
Gleichzeitig konnte ich aber auch die Vorteile aus dem Leben in der Gruppe sehr genießen. Die Menschen, die ich hier kennenlernen durfte, haben mich sehr inspiriert. Wir haben alle ähnliche Themen, Erfahrungen und Weltanschauungen und das trotz so unterschiedlicher kultureller Hintergründe und Lebensgeschichten. Wir waren eine sehr harmonische Gruppe. Alle haben sich um einander gekümmert und es gab keine Grüppchenbildung. Wir sind extrem unterschiedliche Charaktere, aber jeder einzelne ist sehr speziell und liebenswert. Unsere Lehrer haben ebenfalls betont, wie außergewöhnlich der Zusammenhalt und die Harmonie in unserer Gruppe waren, das scheint nicht selbstverständlich zu sein.
Schon vor meiner Abreise hatte ich Bedenken, wie es für mich sein wird, eine so intensive Zeit in einer Gruppe von Fremden zu verbringen. Ich bin sehr froh, dass ich mich davon nicht abhalten lassen habe. Jetzt bin ich um viele Erfahrungen reicher und habe neue Freunde auf der ganzen Welt. Mut bedeutet nicht, keine Ängste zu haben, sondern die Angst zu spüren und es trotzdem zu tun.
Kundalini Awakening
In die Theorie-Klassen hat Krishna viele Anekdoten von ehemaligen Studenten einfließen lassen. Zum Beispiel berichtete er von einer jungen Frauen, die im Unterrichtet anfing sich zu schütteln oder zu hüpfen und davon sprach, dass ihr Kundalini erwachen würde. Unter Yoga-Studenten treiben sich mindestens genauso viele Verrückte rum, wie auch sonst im Leben. Daher bin ich umso dankbarer über die Menschen, mit denen ich hier lernen durfte.
Wenn es um Themen wie Kundalini oder das dritte Auge erwecken ging, hat Krishna immer sehr geschmunzelt. Eine seiner Aussagen war, dass wir doch erst mal lernen sollten unsere zwei Augen richtig zu benutzen, bevor wir uns über das dritte Auge Gedanken machen. Yoga ist definitiv spirituell, aber manchmal wird es auch sehr mystifiziert. Durch meinen wissenschaftlichen Hintergrund gefällt mir die praktische Herangehensweise. Herunter gebrochen beruht sowohl im Yoga als auch im Leben alles auf Ursache und Wirkung.
The universal truth – Wissenschaft und Yoga
Ein Teil unserer Abschlussprüfung war es, einen Vortrag zu halten. Ich habe mich für das Thema „Wissenschaft und Yoga“ entschieden und die Chance genutzt, mir einen Überblick über die Studien in Bezug auf Yoga zu verschaffen. Dabei ist mir aufgefallen, dass sowohl die Wissenschaft als auch Yoga nach der ultimativen Wahrheit suchen. Während es bei wissenschaftlichen Studien eher darum geht, Beweise zu finden, die anderen präsentiert werden können, geht es beim Yoga jedoch um Erkenntnisgewinnung durch persönliche Erfahrung. Es ist schwer, den Benefit von Yoga wissenschaftlich zu belegen. Wenn wir Yoga praktizieren, erfahren wir diesen jedoch ganz direkt und kommen der persönlichen und universellen Wahrheit Stück für Stück näher.
Kein Alkohol seit 365 Tagen
Die Vorträge der anderen Teilnehmer waren so individuell und vielseitig wie unsere Gruppe. Ganz besonders berührt hat mich ein Vortrag über den Nutzen von Yoga beim Alkoholentzug. Die Studentin ist selbst trockene Alkoholikerin und hat sehr offen über ihre persönlichen Erfahrungen gesprochen. Das hat mich an mein langjähriges Partyleben und meinen ungesunden Lifestyle erinnert. Durch Yoga und Meditation hat sich mein Leben ganz natürlich zu einem sehr viel bewussteren und gesünderen Leben verändert. Heute ist es auf den Tag genau 1 Jahr her, dass ich das letzte Mal Alkohol getrunken habe. Das feiere ich mit frischem Watermelon-Juice!
Samatva Yogalaya – Yogaschule in Rishikesh
Mit der Auswahl meiner Schule bin ich definitiv sehr zufrieden, auch wenn sich nach der anfänglichen Begeisterung Kritikpunkte gezeigt haben. Es war bei uns familiär und sehr persönlich, die Klassen waren klein und die Lehrer jederzeit ansprechbar. Wenn man so eng viel Zeit mit seinen Lehrern verbringt, lernt man aber auch deren Schwächen kennen. Als mir bewusst wurde, dass unsere Lehrer selbst mit inneren Konflikten und Ego zu tun haben, war ich etwas enttäuscht.
Mit Yoga sein Geld zu verdienen ist ein zweischneidiges Schwert. Eigentlich ist Yoga ein persönlicher Lebensweg und gleichzeitig wird es ein immer größeres Business. Genau mit diesem Zwiespalt haben viele Lehrer und so auch Krishna und Sangeetha zu kämpfen. Krishna hat auch Zweifel an der Wichtigkeit des Yoga Alliance Zertifikats geäußert, die ich definitiv mit ihm teile. Yoga ist eigentlich ein Lebensweg und keine Leistung, die sich prüfen lässt. Genau hier trifft wieder der Gegensatz zwischen traditionellem Yoga und westlicher Leistungsgesellschaft aufeinander.
Trotz allem bin ich jetzt froh, meine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und das Zertifikat erhalten zu haben und gespannt, wo mich mein Yogaweg noch hintreibt. Und wie hat Krishna so schön gesagt:“ You get what you deserve. – Ihr seid die Schüler, die ich verdiene und ich bin der Lehrer, den Ihr verdient.“
Jetzt genieße ich erstmal meine neu gewonnene Freizeit und das Yogaschüler-Dasein. In Rishikesh gibt es Yoga und Mediation an jeder Ecke und es ist für mich ein Paradies. Doch jetzt beginnt ein neuer Abschnitt dieser Reise: auf nach Goa!
Om shanti shanti shantii
Eure Lea
Eigentlich beruhigend zu wissen, dass YogalehrerInnen auch nur Menschen sind, und keine Gurus. Als Schüler verwechselt man es immer wieder, weil man die spirituelle Auswirkung vom Yoga gerne mit einem Menschen verbindet, dabei liegt es nur an einem selbst 🙂
Viel Spaß noch im Goa!
Liebe Lea
vielen Dank für Deinen schönen Reisebericht 🙂 Es war wieder eine Freude Deine Zeilen zu lesen und dadurch dabei zu sein.
Lass es Dir gut gehen und gute Erholung.
Vielen Dank, liebe Annika, für Deine lieben Worte! Ich freue mich sehr 🙂